„Wir waren ein verschworener Haufen!

Aus der traditionsreichen Geschichte der Borussia / Endrunde um die deutsche Meisterschaft 1963 – Teil 4: Stürmer Günter Kuntz und Abwehrspieler Günter Schröder im Gespräch über die Stimmung rund um das Ellenfeld anlässlich der Endrunde um die deutsche Meisterschaft 1963

Unser Bild: Turm in der Schlacht – Borussias Eigengewächs Günter Schröder (Mitte) bildet, zusammen mit Achim Melcher (rechts), nicht nur in dieser Szene bei einem Schuss von HSV-Star Uwe Seeler ein nahezu unüberwindliches Abwehr-Bollwerk. (Foto: 90 Minuten. Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Kuntz – der Name hat noch heute einen sehr guten Klang rund um das Ellenfeld und darüber hinaus. Das liegt sicher nicht nur an Stefan Kuntz, der aus der Borussen-Jugend hervorging und nach seinen großen Erfolgen als Spieler und Funktionär mit dem 1. FC Kaiserslautern auch als Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft einen ausgezeichneten Job macht. Schon sein Vater Günter Kuntz war Leistungsträger im Ellenfeld, wohin er 1960 vom Kaiserslauterer Erbsenberg (VfR) gekommen war. Nach einem Gastspiel bei Austria Wien, mit der er gleich zweimal österreichischer Meister wurde (16 Tore in 53 Ligaspielen) und am Europapokal teilnahm, kehrte Günter Kuntz 1970 zur Borussia zurück und beendete 1971 im Ellenfeld seine aktive Karriere. Der Borussia blieb er auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn treu und engagierte sich in verschiedenen Funktionen vom Co-Trainer bis zum Spielausschussvorsitzendem. Kuntz´ Namensvetter Günter Schröder, ein Eigengewächs der Borussen-Jugend, absolvierte von 1961 bis 1968 153 Spiele im Borussen-Trikot und war als konsequenter und gefürchteter Abwehrrecke maßgeblich an den beiden Aufstiegen in die Bundesliga (1964 und 1967) beteiligt. Der Bau- und Möbelschreiner, der nach seiner Fußballerkarriere in der ARD-Serie „Fußballtrainer Wulff“ an der Seite von Horst Niendorf und Kurt Schmittchen auch schauspielerische Qualitäten unter Beweis stellte, stand 1963 als 22jähriger Jungspund in allen 6 Spielen der DM-Endrunde auf dem Platz. Im folgenden Interview schildern Günter Kuntz (GK) und Günter Schröder (GS) ihre Reminiszenzen an die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft 1963.

Günter Kuntz und Günter Schröder, Sie waren fester Bestandteil der Borussen-Mannschaft, die 1963 in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft nur haarscharf am Finale vorbeischrammte. Wie war damals die Stimmung?

GK: Überragend! Zum einen in der Mannschaft. Wir waren eine verschworene Gemeinschaft. Einer für alle, alle für einen – dieses Motto war für uns keine leere Floskel, das haben wir auf und neben dem Platz umgesetzt. Zum anderen hat die ganze Stadt und darüber hinaus das ganze Saarland mit uns gefiebert, was man gut an den Zuschauerzahlen ablesen kann. Es war uns damals gelungen, innerhalb weniger Jahre unter die besten acht Mannschaften, das heißt bis in die Spitze des deutschen Fußballs vorzudringen. Für Neunkirchen, eine relativ kleine Stadt, eine ganz große Sache! Es war ein toller Zusammenhalt hier. Alle Leute waren auf den Beinen, unsere Vereinskneipe platzte aus allen Nähten, an jeder Ecke sprachen die Menschen nur über Borussia und den Fußball. Der Verein hat die Stadt erst richtig bekannt gemacht. Vorher wusste doch keiner, wo Neunkirchen liegt.

GS: Wenn wir in der Oberliga Heimspiel hatten, erinnere ich mich noch daran, dass die Hüttenarbeiter von der Frühschicht im Dauerlauf zum Ellenfeld hochgelaufen sind, um den Anpfiff nicht zu verpassen. In Saarbrücken haben sie dann sogar auf den Bäumen gesessen, so voll war das damals.

War es kein Nachteil für Borussia, vom Ellenfeld, der eigentlichen Heimspielstätte, nach Saarbrücken umzuziehen?

GS: Damals war eine bestimmte Zuschauerkapazität vom DFB vorgeschrieben. Die konnten wir mit dem noch nicht umgebauten Ellenfeld nicht erfüllen. Okay, es war nicht unser Platz, aber daran haben wir uns schnell gewöhnt. So ganz fremd waren wir im Ludwigspark ja nicht, schließlich hatten wir dort gegen den FCS ja auch schon Punktspiele ausgetragen. Borussia und FCS – wir waren sportliche Konkurrenten, hatten aber keine Schwierigkeiten, unsere Spiele im Stadion des Rivalen auszutragen!

Abgeblockt: Günter Kuntz scheitert an 1860-Keeper Herrnleben, der sich dem Borussen-Stürmer im letzten Moment entschlossen entgegenwirft. (Foto: 90 Minuten. Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Männerrunde: Vor den Spielen bereitete sich Borussia im Schulungsheim der Arbeitskammer in Kirkel körperlich und mental auf die jeweiligen Gegner vor, von dort ging es gleich ins Stadion. Kontakte mit den Stars der Gastmannschaften gab es kaum – Quarantäne 1963! (Foto: 90 Minuten. Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Wie haben Sie die Gegner der Endrunde erlebt?

GK: Schon in der Oberliga Südwest hatten wir starke Gegner. Zum Beispiel den 1. FC Kaiserslautern in der Ära nach Fritz Walter, den Lokalrivalen 1. FC Saarbrücken, die pfälzischen Traditionsvereine Wormatia Worms und FK Pirmasens – das war eine anspruchsvolle Konkurrenz auf Augenhöhe. Deshalb waren wir für die Endrunde, in der dann natürlich nochmal andere Kaliber auf uns gewartet haben, auch gut vorbereitet.

Sie haben in der Endrunde auch gegen einige damalige Stars gespielt. Uwe Seeler vom HSV, Timo Konietzka von Borussia Dortmund, Rudi Brunnenmeier von 1860, um nur drei Nationalspieler zu nennen. Gab es da auch Kontakte über die sportliche Begegnung auf dem Platz hinaus?

GK: Nur ganz wenig. Ich hätte mich gerne mal mit den Kollegen ausgetauscht, doch zu mehr als ein paar Worten kurz vor oder nach dem Spiel ist es leider nicht gekommen. Wir sind meist gleich aus dem Hotel ins Stadion gekommen und nach dem Spiel wieder zurückgefahren.

GS: Zu den Auswärtsspielen sind wir einen Tag vorher mit dem Bus angereist und haben dann gleich unser Quartier bezogen. Ich habe es ja gegen den HSV mit Gert Dörfel zu tun gehabt. Aber viel Kontaktmöglichkeiten gab es da nicht, das stimmt. Das war auch bei den Heimspielen nicht anders. Da waren wir vorher im Schulungsheim der Arbeitskammer in Kirkel zusammen, von wo aus es direkt in die Kabinen ins Ellenfeld ging.

Was auffällt, dass die Borussia in der Endrunde mit 13 Spielern auskam und fast immer mit der gleichen Mannschaft auflief.

GK: Das war ein Riesenvorteil. Wir waren eingespielt, jeder wusste genau, was der andere tut. Auswechslungen waren damals ohnehin noch nicht erlaubt. Ich erinnere mich an ein Spiel, welches genau, weiß ich nicht mehr, in dem unser Mitspieler Paul Pidancet sich verletzt hat und die letzten 20 Minuten nur noch humpelnd mitwirken konnte. Da haben wir andere natürlich die Ärmel hochgekrempelt und gesagt: Jetzt müssen wir für ihn mitlaufen! Wie gesagt: Wir waren eben ein verschworener Haufen!

Der von Fußballlehrer Hans Pilz offenbar auch gut eingestellt wurde. Was war der Trainer für ein Mensch?

GK: Ein ganz, ganz netter Kerl, mit dem wir gut zurechtkamen. Manchmal war er vielleicht sogar ein bisschen zu gut und zu nett!

GS: Wir waren alle zufrieden mit ihm. (lacht) Der Ringel Karl, unser Mannschaftskapitän, hat aber auch immer gesagt: Wir sind eine gute Mannschaft, wir brauchen eigentlich gar keinen Trainer!

Vielen Dank, Günter Schröder und Günter Kuntz, für diese Eindrücke! (-jf)

Im fünften Teil unserer kleinen Serie (am Montag, 15. Juni): „Diese Borussia wäre die Bundesliga wert!“

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